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Visual-Storytelling

Nach dem Content und wie man ihn richtig und benutzerfreundlich in Szene setzt – also nach Text und noch mal nur Text – widmen wir uns an dieser Stelle endlich einem etwas bildhafterem Teil, nämlich dem visuellen Geschichtenerzählen.

Visual-Storytelling, wie es in klingendem Englisch heißt, beschreibt die Kunst, Geschichten anhand von Bildern zu erzählen. User-Experience-Designer tun gut daran, die psychologischen Hintergründe zu kennen, um damit starke emotionale Bindungen zu den Kunden und Nutzern aufbauen und Entscheidungsprozesse erleichtern zu können.

Das bildhafte Erzählen von Geschichten ist eine alte menschliche Tradition. Wissenschaftler sind sogar der Überzeugung, dass Geschichten einen großen Teil von dem ausmachen, was letztlich auch uns Menschen ausmacht. So gibt es keine Kultur, in der Bilder – und die Geschichten, die mit ihnen erzählt werden – nicht in irgendeiner Art und Weise vorkommen (Justinmind 2018).

Höhlenmalereien beweisen, dass schon in unseren frühesten Tagen auf Visual-Storytelling gesetzt wurde. Buchstaben und Texte kamen übrigens erst circa 32 000 Jahre danach allmählich auf (Ron 2016).

Und auch die ersten Geschichten, die wir als Kinder in Büchern gesehen und gelesen haben, waren und sind stark visuell geprägt. Schrift bringt einen langen Lernprozess mit sich, Bilder aber können wir schon viel früher verstehen. Nichts liegt also näher, als auf Visuelles zu setzen, wenn wir unsere Botschaften schnell und effektiv vermitteln möchten.

Die Wissenschaft

Bilder sagen mehr als tausend Worte – ein Spruch, der weithin bekannt ist und nicht von ungefähr kommt. Denn wir Menschen sind unglaublich visuell getriebene Wesen. Und es gibt interessante Fakten, die dies belegen (Romih 2016).

  • 30 % unserer Großhirnrinde sind für das Verarbeiten von visuellen Reizen reserviert. Im Vergleich dazu sind nur 8 % für den Tastsinn und nur 3 % für das Hören vorgesehen.
  • 65 % bis hin zu sogar 80 % der Menschen sind laut einer Studie »visuelle Lerner« – lernen also besser, indem sie die Inhalte visuell vor sich haben oder selbst visuell aufbereiten.
  • Nur 13 Millisekunden braucht unser Gehirn, um ein Bild identifizieren und ein­ordnen zu können. Deutlich weniger als verbale Reize wie beispielsweise Texte.

Noch Gravierenderes hat die Nielsen Norman Group in einer Studie herausgefunden: Lediglich 16 Prozent der Besucher unserer Website lesen Wort für Wort, wohingegen 79 Prozent aller Nutzer die Seite zumindest kurz grob überfliegen und sich ein Bild davon machen (Nielsen 1997). Guten Content, der schnell erfassbar und gut leserlich ist, haben wir schon – nun gilt es, diesen mit qualitativ hochwertigen Bildern und Grafiken zu ergänzen, um unsere Geschichte auch für Schnellleser und Seitenüberflieger interessant zu machen und sie zu fesseln.

Da wir uns hier allerdings im Feld des User-Experience-Designs bewegen, sollte nicht die Aufhübschung unserer Inhalte die Intention hinter diesen Aufwänden sein. Vielmehr, die Nutzer damit zu führen und ihnen zu helfen, ihr Ziel – beispielsweise das Produkt zu finden, das sie suchen – so einfach und so schnell wie möglich erreichen zu können. Klar, wir können dabei auch sehr manipulativ vorgehen, vorrangig sollten wir aber positive Entscheidungsprozesse fördern.

Wann?

Entscheidungen müssen unsere Nutzer immer dann treffen, wenn wir sie direkt oder indirekt auffordern, etwas Bestimmtes zu tun. Das kann das Klicken eines Links sein, um einen Beitrag zu lesen oder auch die Eingabe einer E-Mail-Adresse. Es müssen aber nicht unbedingt Aktionen wie Klicks oder Eingaben auf unserer Website sein.

So stellen wir unseren Nutzern irgendwann – z. B. vor der Kaufentscheidung – indirekt die Frage, ob sie uns vertrauen und bereit sind, unser Produkt zu kaufen oder unseren Service zu wählen. Und genau das sind die kritischen Entscheidungsmomente, in denen die Antworten in unserem Sinne »Ja« sein sollten. Momente, zu denen wir unsere Nutzer mit visuellem Storytelling hinführen können, um ihnen dann die Entscheidung zu erleichtern, eben genau jene Fragen mit »Ja« zu beantworten.

Wie?

Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht. Ein guter Ausgangspunkt für unsere Vorgehensweise ist nämlich unser schon erstellter Content. Wir kennen unsere Zielgruppe und haben sogar schon festgelegt, wie wir sie ansprechen. In unserem Fall mit kurzen, aussagekräftigen Sätzen und sympathischen Reimen. Damit sind wir nicht ganz auf der seriösen Seite, dennoch aber professionell und vertrauenswürdig. Und genau das sollte nun die Basis für unser visuelles Geschichtenerzählen sein.

Erinnern wir uns zurück an die Überschrift und Unterüberschrift für unseren kleinen Shop, versprechen wir darin, dass unser Prozess einfach, persönlich und in nur drei Schritten vonstatten geht. Lieblingsdesign wählen, Texte und Wünsche angeben und abschicken – drei Schritte, die sich auch visuell einfach umsetzen lassen. Ein wichtiger Hinweis dabei ist, dass unsere Geschichte eben genau diese Einfachheit besitzen sollte. Geschichten, die nicht auch visuell einfach umsetzbar sind, sind wahrscheinlich zu komplex, vor allem für die Startseite.

Wie ich im Unterkapitel »Content« schon erwähnt habe, muss es gar nicht unbedingt das Produkt an sich sein, das ausschlaggebend für die Kaufentscheidung ist. Oft ist es auch der einfache und verständliche Weg zum Produkt, der die Kunden von uns überzeugt. Und da wir von unserer Zielgruppe wissen, dass vor allem Zeit während der Planung und Vorbereitung auf die Hochzeit ein hohes Gut ist, macht es viel Sinn, genau jene Geschichte der Schnelligkeit, Einfachheit und persönlichen Begleitung zu erzählen. Auf der einen Seite mit Content, auf der anderen Seite mit dazu passenden visuellen Elementen mit positivem Charakter und einer Bildsprache, die uns als Unternehmen entspricht. Teil dieses Charakters ist übrigens auch – anders als in der Einleitung dieses Unterkapitels beschrieben – die Wahl der Schrift und deren Charakteristik. Die Leserlichkeit sollte dabei selbstverständlich dennoch gegeben sein.

Onlineshop-UX 11

Aber nicht nur Bilder, Grafiken und Illustrationen sind Teil des Visual-Storytellings, auch Interaktionen und Animationen spielen eine große Rolle dabei, unsere Geschichte zu erzählen. Denn sie sorgen für ein intensiveres, persönlicheres Erlebnis, lösen tiefergreifende emotionale Reaktionen aus und leben länger im Gedächtnis unserer Nutzer weiter (Babich 2017).

Auch wenn es der Aufbau des Inhalts dieses Buches bisher vielleicht anders vermuten lässt, sollte Visual-Storytelling schon von Beginn an eine Rolle während unserer Überlegungen bezüglich der Geschichte, die wir erzählen wollen, spielen. Ist unsere Geschichte das, was unsere Nutzer erwarten? Kann man sie visuell einfach und verständlich darstellen? Und ganz wichtig: Führen wir die Besucher mit unserer Geschichte durch unsere Website und schaffen damit ein klares und einprägsames Erlebnis?

Zusammengefasst sollte unsere visuelle Geschichte von oben bis unten leicht verständlich und angenehm für das Auge sein sowie zu positiven Entscheidungen bestärken.