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03 – 14

(Not So) Dark Patterns

Die dunkle Seite der … Onlineshops. Dieses Unterkapitel beschäftigt sich mit Methoden, die uns Menschen vor allem in Onlineshops beeinflussen können und sollen. Beeinflussen heißt in diesem Zusammenhang, dass wir damit unsere Kunden dazu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht geplant hatten zu tun und nur deshalb tun, weil wir es so wollten. Im User-Experience-Design sind derlei Praktiken als Dark-Patterns bekannt – und umstritten.

Es gibt sehr plumpe Dark-Patterns, die vor allem daran leicht zu erkennen sind, dass sie die Nutzer schnell frustrieren. Damit sind Methoden gemeint, die beispielsweise ungewollt Produkte in den Warenkorb legen. Oder Methoden, die es umständlich machen, ein monatliches Abo zu kündigen, indem auf einer schwer zu findenden Unterseite der Hinweis zu lesen ist, dass eine bestimmte Telefonnummer angerufen werden muss, obwohl der gleiche Vorgang auch mit nur einem Button erledigt werden könnte.

Dark-Patterns dieser Art sollten meiner Meinung nach unbedingt vermieden werden. Neben solch böswilligen Methoden gibt es allerdings auch jene, die auf psychologischen Erkenntnissen beruhen, nicht zwingend frustrierend sind und die Nutzer lediglich sanft in eine von uns gewünschte Richtung »schubsen«. Ob man auch dafür die Bezeichnung Dark-Pattern verwenden kann, möchte ich an dieser Stelle jedem selbst überlassen.

Ein gutes Beispiel für solch eine Methode ist die des Social-Proofs, die wir uns schon im Detail angesehen haben. Auch die »dunkle Macht der Vorauswahl« und das Weglassen des Währungszeichens basieren auf solchen Erkenntnissen. In diesem Unterkapitel sehen wir uns Methoden an, die nicht unbedingt in den Rahmen unseres Hochzeitspapeterie-Shops passen, aber meiner Meinung nach zu spannend sind, um sie gänzlich unerwähnt zu lassen.

Anchoring – Anker in die Köpfe setzen

Beginnen möchte ich direkt mit dem meiner Meinung nach faszinierendsten Phänomen in dieser Reihe – dem Anchoring. Die grundsätzliche Aussage davon ist, dass wir Menschen uns meist zu sehr an der ersten Information orientieren, wenn wir Entscheidungen treffen müssen oder etwas Unbekanntes abschätzen sollen. Diese erste Information ist für uns dann der Referenzpunkt – quasi der »mentale Anker«.

Einige Beispiele werden schnell verdeutlichen, was damit gemeint ist. 1974 führten die beiden Psychologen Tversky und Kahnemann (1974) Experimente durch, mit denen dieser Effekt untersucht und schlussendlich auch entdeckt wurde. In einem dieser Experimente wurden Studenten in zwei Gruppen geteilt. Beide Gruppen mussten innerhalb von fünf Sekunden das Produkt der Zahlen von eins bis acht im Kopf berechnen (1 × 2 × 3 …), die andere Gruppe ebenso, aber umgekehrt (8 × 7 × 6 …).

Aufgrund der kurzen Zeit musste das Ergebnis nach den ersten Multiplikationen geschätzt werden. Dabei wurde nach den ersten Berechnungen unbewusst ein Anker gesetzt: Bei den aufsteigenden Zahlen ein niedriger Anker, bei den absteigenden Zahlen ein hoher. Der Median der Schätzungen der ersten Gruppe war 512, während der Median der Schätzungen der zweiten Gruppe bei 2 250 lag. Die Schätzungen zeigen also signifikante Unterschiede. Die korrekte Antwort ist übrigens 40 320.

Auch Experten sind vor diesem Effekt nicht gefeit. So konnte in Studien nachgewiesen werden, dass höhere geforderte Schadensersatzsummen vor Gericht schlussendlich auch zu höheren ausbezahlten Summen führen, da auch erfahrene Richter dem Ankereffekt unterliegen (Brewer u. Chapman 2002, S. 65-77).

Ein Tipp für die nächsten Gehaltsverhandlungen: Spaßeshalber vor der Verhandlung ein unrealistisch hohes Gehalt nennen. Der dadurch in den Köpfen entstehende Anker dieser hohen Zahl führt schlussendlich häufig zu tatsächlich höheren Gehältern als bei so manch anderen ausgefeilten Verhandlungsmethoden (Thorsteinson 2011, S. 1774-1792).

Nun gut, sehen wir uns an, wie uns dieser Effekt in Onlineshops hilft. Würden wir beispielsweise drei Pakete mit unterschiedlichen Preisen anbieten, macht es Sinn, den teuersten Preis links zu positionieren und damit die folgenden Preise gering erscheinen zu lassen. Häufig werden aus diesem Grund Preispakete geschnürt, von denen nicht erwartet wird, dass sie jemand tatsächlich kauft – es geht letztlich nur darum, einen Anker in den Köpfen zu setzen, der die anderen Pakete billig erscheinen lässt.

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Dieser Effekt kann allerdings auch umgekehrt angewandt werden, indem man unattraktive Pakete schnürt, die lediglich dazu da sind, die etwas teureren, attraktiveren Pakete, die man eigentlich verkaufen möchte, nicht so teuer erscheinen zu lassen. Na, zu welchem Datentarif-Paket würdest du hier eher greifen?

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Was ich bisher noch gänzlich unerwähnt gelassen habe: Die Zahlen müssen in absolut keinem Zusammenhang zueinander stehen (Adaval u. Monroe 2002, S. 572-578). So kann man Preise auch niedrig erscheinen lassen, indem man beispielsweise die Gesamtzahl der bisherigen Kunden über dem Preis nennt oder in einer Spalte mit Produktempfehlungen deutlich teurere Produkte einer gänzlich anderen Kategorie zeigt.

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Commitment und Beständigkeit – Warum wir IKEA so lieben

Viele kennen das Problem wahrscheinlich: Man möchte für eine kurze Strecke in der Stadt die Straßenbahn nehmen, sieht auf der Anzeige, dass sie in zwei Minuten kommt und wartet. Und wartet. Nach fünf Minuten zeigt die Anzeige immer noch, dass die Straßenbahn in zwei Minuten kommt. Angeblich. Denn nach insgesamt zehn Minuten ist sie immer noch nicht da. Nun warten wir schon so lange, dass wir auch längst hätten gehen können. Und dennoch warten wir weiter. Warum gehen wir nicht?

Dieser Effekt nennt sich Eskalierendes Commitment und ist auch bekannt als Sunk-Costs-Fallacy-Effekt. Er besagt, dass wir uns früheren Entscheidungen gegenüber verpflichtet fühlen. Im Beispiel der Straßenbahn haben wir schon so viel Zeit investiert, dass wir diese nicht einfach aufgeben möchten und – obwohl es irrational ist – den kurzen Weg nicht direkt gehen, sondern lieber weiter warten.

Das Beispiel mit der Straßenbahn ist nicht sonderlich schlimm. Gravierend wird es dann, wenn der Effekt in Unternehmen zum Tragen kommt und zum Scheitern verurteilte Projekte weitergeführt werden, weil die bisherigen Investitionen schon so hoch waren. Und weil wir uns unseren früheren Entscheidungen gegenüber verpflichtet fühlen (Staw 1976, S. 27-44).

Neben all dem ist es auch so, dass wir Dinge umso mehr wertschätzen, umso mehr wir in sie investiert haben. Das kann eben das zum Scheitern verurteilte Projekt sein, das aus unerfindlichen Gründen trotzdem alle lieben, das kann aber auch das IKEA-Regal sein, das wir eigenhändig aufgebaut haben und plötzlich eine persönliche Verbindung dazu verspüren. Das Phänomen mit den selbst aufzubauenden Möbeln des schwedischen Einrichtungskonzerns führt sogar so weit, dass der zugrunde liegende Effekt als IKEA-Effekt bezeichnet wurde (Norton 2009, S. 30).

Zuletzt haben Studien gezeigt, dass wir Menschen unsere jeweils aktuelle Situation als Referenzpunkt verstehen und jegliche Änderungen als eine Art Verlust wahrgenommen wird. Wir wollen, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, die als Status-quo-Verzerrung bezeichnet wird. Übrigens ist dieser Effekt mit jenem verwandt, der uns Vorauswahlen bevorzugen lässt (Zeckenhauser u. Samuelson 1988, S. 7-59).

Also gut, wir wissen jetzt also, dass wir investierte Ressourcen ungern wieder aufgeben, dass wir uns früheren Entscheidungen gegenüber verpflichtet fühlen, dass wir Dinge mehr wertschätzen, wenn wir in sie etwas investiert haben und am liebsten dauerhaft den aktuellen Zustand beibehalten möchten. Nun sehen wir uns an, wie wir dieses Wissen in Onlineshops einsetzen können.

Viele Onlineshops bieten die Funktion, Produkte statt in den Warenkorb zu legen erst mal nur auf eine Wunschliste zu setzen. Fügen Kunden etwas zu ihrer Wunschliste hinzu, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie es zu einem späteren Zeitpunkt auch tatsächlich kaufen, weil sie mit der Wunschliste schon für sich selbst zum Ausdruck gebracht haben, dass sie es gerne haben möchten. Amazon setzt diese Methode sehr ertragreich ein.

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Der Filehosting-Dienst Dropbox setzt sehr erfolgreich ein Freemium-Modell ein. Dropbox stellt dabei ein kostenloses aber limitiertes Kontingent an Online-Speicher zur Verfügung. Irgendwann im Laufe der Zeit kommt man an einen Punkt, an dem dieser Speicherplatz nicht mehr reicht – Dropbox lädt dazu ein, zur kostenpflichtigen Version zu wechseln, bei der deutlich mehr Speicherplatz verfügbar ist. Die investierte Zeit zur Erlernung des Umgangs mit Dropbox, die Tatsache, dass es auf allen eigenen Geräten installiert ist und man es einfach gewohnt ist, bringt nicht wenige dazu, schlussendlich zu einem zahlenden Kunden zu werden.

Das für mich erstaunlichste Beispiel: Eine amerikanische Bank konnte 2010 ihre Conversion-Rate um 11 Prozent steigern, nachdem sie oberhalb des CTA-Buttons eine Checkbox platziert hat, die nüchtern betrachtet keinen Effekt hat (Conversion Voodoo 2010).

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Diese Methode funktioniert, weil man – schon bevor man den CTA-Button klickt – mit Hilfe der Checkbox ein Versprechen abgibt und dadurch eher geneigt ist, den Prozess auch abzuschließen. Das mag im Fall dieser Bank zwar funktionieren, ich persönlich würde eine solche Checkbox allerdings vermutlich niemals einsetzen, da diese Methode in meinen Augen eher frustrierend für die Nutzer und doch recht plump ist.

Verlustaversion – Was wir von Münzspielern lernen können

Ein kleines Gedankenexperiment: Du spazierst eine schöne Straße entlang und triffst auf einen Münzspieler. Die Sonne scheint, du hast Zeit und hörst dir deshalb sein Angebot an. Du sollst eine gewöhnliche 1-Euro-Münze werfen – bei Kopf verlierst du und musst 100 Euro an ihn zahlen, bei Zahl gewinnst du und erhältst einen Betrag x als Gewinn. Die Chancen zu gewinnen stehen genau 50:50.

Nun die Frage: Wie groß müsste die Zahl x mindestens sein, damit du mitspielst? Versuche, dich in die Situation hineinzuversetzen und die Frage ehrlich zu beantworten. Sei ehrlich mit dir selbst und lies erst danach weiter.

Mich würde brennend interessieren, was deine Antwort darauf nun ist, denn bei mir persönlich hat dieses kleine Gedankenspiel zu einem großen Aha-Moment geführt. Na, wie lautet deine Antwort? Möglicherweise 200 oder gar 250 Euro, wie es auch bei mir der Fall war? Nun, dieses Spiel beziehungsweise Experiment wurde nicht von mir erdacht, sondern von dem uns vom Anchoring schon bekannten Psychologen Kahnemann in großen Studien durchgeführt. Und tatsächlich hat sich gezeigt, dass die meisten eine Aussicht auf 2,5-mal so viel Gewinn möchten, um überhaupt am Spiel teilzunehmen (Levermann, Susan: Der entspannte Weg zum Reichtum. 10. Aufl. München: dtv 2018, S. 94-95).

Was sagt uns das? Kurz gesagt, dass Verluste 2,5-mal so schmerzhaft sind wie Gewinne. Also obwohl 100 Euro Gewinn betragsmäßig genauso viel sind wie 100 Euro Verlust, empfinden wir die 100 Euro Verlust so, als hätten wir gerade 250 Euro verloren (Tversky u. Kahneman, 1992).

Sehen wir uns an, wie wir diesen »Schmerz« in Onlineshops für uns nutzen können. Beispielsweise kann es eine Strategie sein, die Kommunikation nicht darauf auszurichten, was gespart werden kann, sondern darauf, was dadurch nicht verloren wird.

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Dasselbe Prinzip kann auch bei Überschriften angewandt werden, die ich persönlich sofort als Clickbait-Artikel abtun würde. So kann aus der Artikelüberschrift »Wie man mehr Geld verdient« die Überschrift »Wie man weniger Geld verliert« werden.

Ich kann mein Versprechen leider nicht ganz halten, denn an dieser Stelle sehen wir uns doch einen schon angesprochenen Dark-Pattern an – also eine Methode, die man eigentlich vermeiden sollte, die als Beispiel für Verlustaversion meiner Meinung nach aber sehr gut ist. Dabei geht es um die Taktik, ungefragt zusätzliche Produkte in den Warenkorb der Kunden zu legen. So könnte beim Kauf eines Smartphones beispielsweise eine Versicherung automatisch hinzugefügt werden. Und noch hinterhältiger: Die Versicherung wird als stark vergünstigt angezeigt. Viele Kunden bekommen an dieser Stelle Angst, dass sie die Versicherung nur einmalig so stark vergünstigt bekommen, lassen sie deshalb lieber im Warenkorb und kaufen sie schlussendlich auch mit.

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Need-To-Complete – Warum wir Dinge gerne vollenden

In der Vorweihnachtszeit 2016 haben die vier Harvard-Wissenschaftler Barasz, John, Keenan und Norton (2017, S. 1460-1477) gemeinsam mit dem Kanadischen Roten Kreuz eine Studie durchgeführt. Es ging darum, Spenden für Kinder in Not zu sammeln. Potenziellen Spendern wurden zufällig eine von drei Startseiten gezeigt und die Spender damit entsprechend in drei Gruppen unterteilt.

Die erste Gruppe wurde schlichtweg aufgefordert, eine Geldspende zu tätigen. Die zweite Gruppe wurde gebeten, aus sechs Objekten wie Bettlaken, Windeln oder warmen Mahlzeiten auszuwählen. Eine Stecknadel hat auf einer Karte sodann gezeigt, wohin die ausgewählten Objekte gespendet werden, nachdem sie ausgewählt wurden. Die dritte Gruppe sah dieselben Objekte wie Gruppe zwei, allerdings innerhalb eines Pseudo-Sets, das als »Globales Überlebens-Kit« bezeichnet wurde. Jedes Mal, nachdem ein Objekt ausgewählt wurde, wurde ein Linie um einen digitalen Globus länger. Ein geschlossener Kreis um diesen Globus hat bedeutet, dass alle sechs Objekte gespendet wurden und das Kit komplett war.

21 Prozent der Spender aus der dritten Gruppe haben letztlich alle Objekte gespendet, wohingegen nur 5 Prozent der zweiten Gruppe alles gespendet haben. Und aus der ersten Gruppe haben gar nur 3 Prozent den vollen Gegenwert der sechs Objekte gespendet.

Warum das so ist? Weil wir es lieben, Dinge abzuhaken, die wir als Aufgaben vor uns haben. In einer Zeit vor Erinnerungsapps oder gar vor Papier und Stift musste unser Gehirn diese Aufgabe erfüllen – und um dies zu bewältigen, konzentriert sich unser Gehirn unglaublich intensiv auf unerledigte Aufgaben. Dieser Effekt wird Zeigarnik-Effekt genannt, benannt nach dem russischen Psychologen Zeigarnik, den wir im Unterkapitel »Infinite-Scrolling« schon kurz kennengelernt haben (Zeigarnik 1927).

Sehen wir uns abermals ein Beispiel des Filehosting-Diensts Dropbox an. Denn Dropbox zeigt neu registrierten Nutzern eine Checkliste an. Dabei werden Nutzer aufgefordert, den Dienst Freunden zu empfehlen oder auf zum Beispiel Facebook dem Dienst zu folgen. Nach Erledigung der Tasks werden sie durchgestrichen und als erledigt angezeigt. Für den Nutzer wenig Aufwand, für Dropbox in der Masse aber eine große Wirkung. Doch nicht alle Nutzer lassen sich davon beeindrucken, weshalb auch auf extrinsische Motivation zurückgegriffen wird, indem kleine Speicherplatzerweiterungen als Gegenleistung geboten werden.

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Die meisten kennen sie: Die kleinen roten Kreise mit den kleinen weißen Zahlen darin: Benachrichtigungszähler, die uns anzeigen, wie viele ungelesene Nachrichten wir haben oder wie viele unerledigte Aufgaben vor uns liegen. Wir Menschen sind bestrebt, diese Dinge möglichst schnell zu erledigen, da sie uns andernfalls ständig innerlich stressen. Facebook hat vor einiger Zeit diese Tatsache zum Anlass genommen, einen Dark-Pattern daraus zu entwickeln. Der Button, um die eigenen Telefonkontakte mit Facebook zu synchronisieren, hatte einen solchen roten Punkt erhalten, der erst verschwand, nachdem man der Aufforderung nachgekommen ist. Vermutlich hat Facebook damit nicht bei wenigen das Ziel erreicht.

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Verknappung – Seltenheit schafft Wert

Wer Geschwister hat, kennt das wahrscheinlich aus der Kindheit: Man möchte immer das haben, was der andere gerade hat. Doch auch als erwachsene Menschen unterliegen wir diesem Phänomen. Ist ein Produkt schwer zu bekommen, möchten wir es haben – und verbinden es sogar mit einer höheren Qualität. Wie wir auch schon bei der Verlustaversion gesehen haben, wirkt die Angst, etwas zu verlieren deutlich motivierender auf uns als die Möglichkeit, etwas zu gewinnen.

So gibt es tatsächlich eine Studie die belegt, dass Frauen vergebene Männer deutlich attraktiver finden. Es scheint so, als wäre etwas, das nicht verfügbar oder schwer zugänglich ist, wesentlich attraktiver für uns Menschen (Parker u. Burkley 2009, S. 1016-1019).

Eine andere Studie hat Teilnehmer in zwei Gruppen unterteilt und beiden Gruppen ein gleich großes Glas gegeben. Im Glas der ersten Gruppe waren zehn Kekse enthalten, im Glas der zweiten Gruppe allerdings nur zwei. Die Gruppe mit nur zwei Keksen im Glas hat den Wert der Kekse als deutlich höher wahrgenommen und eingeschätzt als die Gruppe mit zehn Keksen (Worchel et al. 1975, S. 906-914). Die Vermutung liegt nahe, dass dies daran liegt, dass dadurch unterbewusst Informationen übermittelt werden. Im Fall der Gläser ist die Information, dass die Kekse, von denen nur noch zwei vorhanden sind, die beliebteren und begehrenswerteren sein müssen.

Amazon wie auch viele andere Onlineshops setzen Verknappung recht exzessiv und wohl auch effektiv ein. Die einfachste Form sie anzuwenden, ist die Anzeige der noch verfügbaren Stückzahl eines Produktes. Diese Methode ist für einen Hochzeitspapeterie-Shop wie unseren natürlich nicht anwendbar, da wir nur auf Bestellung drucken und ein Druckkontingent wohl eher zu unserem Nachteil als zu unserem Vorteil wäre.

Die Methode der Verknappung lässt sich übrigens hervorragend mit dem Phänomen der Verlustaversion kombinieren. Das Reiseportal Booking.com beispielsweise zeigt einerseits an, wie viele Zimmer noch je Kategorie verfügbar sind, gleichzeitig aber auch, wie viele Personen sich die jeweiligen Zimmer gerade ansehen. Hat man schon ein Zimmer ins Auge gefasst, von dem zum Beispiel nur noch zwei vorhanden sind, sieht aber gleichzeitig, dass sich gerade sieben Personen dieses Zimmer ansehen, löst das nicht in wenigen einen wahnsinnigen Druck aus, möglichst schnell zu buchen, um sich das anscheinend begehrte Zimmer zu sichern.

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Hat man dem Druck nachgegeben und auf den »Jetzt buchen«-Button geklickt, schnappt oft auch schon die nächste Falle zu. Denn anschließend wird angezeigt, dass das Zimmer nur 15 Minuten reserviert ist und man innerhalb dieser Zeit zahlen sollte, um es sicher zu bekommen, da es andernfalls wieder allen zur Verfügung gestellt wird.

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