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Chat und Bot

Meist rechts unten und auf immer mehr Websites zu finden: Chats. Für Besucher einer Website sind sie eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Kontaktaufnahme – für Fragen zu Produkten, Infos über den Lieferstatus oder sogar bei Schadensfällen.

Studien belegen, wie sehr Chats dazu beitragen können, die Conversion-Rate zu steigern – auch, wenn die Zahlen der einzelnen Studien recht stark voneinander abweichen. So kann die Conversion-Rate laut American Marketing Association durch Chats um 20 Prozent gesteigert werden. Boldchat kam durch statistische Analysen zum Schluss, dass Besucher, die einen Chat benutzt haben und zufrieden damit waren, nahezu acht Mal häufiger einen Kauf tätigen und dabei sogar bereit sind, 55 Prozent mehr zu bezahlen. Und Virgin Atlantic Airways konnte 23 Prozent der Personen, die den Chat nutzten, dazu bringen, einen Kauf abzuschließen.

Umfragen zeigen, dass vor allem Zeit der ausschlaggebende Grund ist, weshalb Menschen einen Chat auf einer Website nutzen – Fragen der Nutzer werden schnell und unkompliziert genau auf jener Seite beantwortet, auf der sie sich gerade befinden (Taylor 2017). Kein lästiges Hängen in Telefonwarteschleifen und kein Heraussuchen der möglicherweise passenden E-Mail-Adresse.

Nachdem es hauptsächlich die Zeit ist, die sich Besucher auf unserer Website durch die Nutzung eines Chats sparen möchten, liegt es an uns, auch möglichst zeitnah auf die Anfragen zu reagieren. Bei vielen Anfragen zu allen möglichen Uhrzeiten kann das allerdings zu Schwierigkeiten führen. An dieser Stelle kommen Bots ins Spiel – Computerprogramme, die für uns mit unseren Kunden chatten. Aber auch dabei gibt es Herausforderungen, die es zu meistern und Dinge, die es zu beachten gilt.

Chat

Beginnen wir aber »menschlich« – mit dem persönlichen Chat. Bevor ein Besucher unseres Shops überhaupt Kontakt via Chat mit uns aufnehmen kann, muss er in erster Linie wissen, dass es eine solche Funktion gibt. Der aktuellste und am häufigsten gesehene Ansatz ist, einen sogenannten Floating-Button einzusetzen. Dabei handelt es sich um einen – bestenfalls in der rechten unteren Ecke platzierten – Button, dessen Position dort fixiert ist und welcher scheinbar über der Seite schwebt. Wichtig ist, dass der Kontrast des Buttons zur restlichen Seite so groß ist, dass er auffällig hervorsticht.

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User-Experience-Tests haben allerdings gezeigt, dass einige Nutzer solche Buttons trotz ihres auffälligen Erscheinungsbildes komplett ignorieren. Es empfiehlt sich daher, nicht ausschließlich darauf zu vertrauen, dass der Chat gefunden wird, sondern diesen auch beispielsweise über die Kontaktseite zugänglich zu machen. Wichtig ist dabei, die Funktion auch tatsächlich »Chat« zu nennen und diese nicht kreativ oder kryptisch zu umschreiben, wie beispielsweise »Stelle eine Frage«. Ein Klick auf den Chat-Button öffnet sodann mit einer auffälligen Animation das Chatfenster unten rechts – auf Mobilgeräten häufig auch im Vollbildschirm.

Neben der Kontaktseite macht es auch Sinn, auf allen Produktseiten einen direkten Link zum Chat zu platzieren – vor allem dort, wo es potenziell zu Fragen kommen kann, beispielsweise bei der detaillierten Produktbeschreibung.

Jede aktuelle Chat-Software, die mir bekannt ist – beispielsweise Tidio oder Intercom –, zeigt an, auf welcher Seite sich der Fragende gerade befindet. Damit können wir schnell und effizient auf die Anliegen unserer Besucher reagieren, während sie nicht einmal die Produktseite verlassen müssen.

Wie sonst überall in unserem Webshop sollten wir auch hier auf die richtige Wortwahl achten. Beim Chat ist die wichtigste Regel, möglichst schnell zu helfen und zum Punkt zu kommen, problemlösungsorientiert zu agieren und nicht zu persönlich zu werden, beispielsweise indem man nach dem aktuellen Befinden fragt. Die Antworten sollten spezifisch auf die Fragen eingehen und niemals den Anschein erwecken, als wären sie vorformuliert oder allgemeingültig.

Besucher unseres Shops, die unseren Chat nutzen, um eine Frage zu stellen, tun dies, um Zeit zu sparen. Im Umkehrschluss bedeutet das für uns, dass wir schnell reagieren müssen. Doch manchmal kann es vorkommen, dass uns unerwartet viele Fragen gleichzeitig erreichen oder – und das ist vermutlich häufiger der Fall –, dass wir als Betreiber eines kleinen Shops auch mal ein Wochenende genießen oder in der Nacht tatsächlich schlafen wollen.

Um zu vermeiden, dass Nutzer frustriert vor einem Chatfenster sitzen und keine Antwort von uns erhalten, sollte in erster Linie klar kommuniziert werden, wann wir verfügbar sind. Sind wir gerade nicht verfügbar, sollte automatisiert nach der E-Mail-Adresse gefragt und das Versprechen gegeben werden, dass wir uns am nächsten Werktag schnellstmöglich via E-Mail melden. Diese automatisierte Frage nach der E-Mail-Adresse erledigt ein Bot für uns (Budiu 2019).

Bots

Bots sind Computerprogramme, die für uns wiederkehrende Aufgaben übernehmen. Vor allem bei Chats können sie sehr hilfreich sein und Frustrationen bei unseren Besuchern vermeiden. Wie eben angesprochen ist die einfachste Aufgabe eines Bots, nach den Kontaktdaten zu fragen, wenn wir momentan nicht verfügbar sind.

Sind wir als Shopbetreiber online, allerdings momentan mit anderen Fragenden beschäftigt, kann ein Bot den User darüber informieren, dass wir uns in Kürze um sein Anliegen kümmern werden und uns schnellstmöglich melden. Dabei sollte klar aus der Nachricht und ihrer Gestaltung hervorgehen, dass es sich um einen Bot beziehungsweise um eine automatisierte Nachricht handelt. Vodafone hat durch die Entwicklung eines eigenen Bots herausgefunden, dass Kunden aufgeschlossener sind und im Ton freundlicher werden, wenn ehrlich kommuniziert wird, dass es sich um durch eine Maschine versandte Nachrichten handelt (Davis 2018).

Doch Bots können deutlich mehr für uns leisten. Eine der in meinen Augen sinnvollsten Anwendungen von Bots in Webshops ist die Unterstützung bei abgebrochenen Zahlungsvorgängen. Laut Untersuchungen wurden 2018 weltweit knapp über 75 Prozent der Zahlungsvorgänge abgebrochen (Charlton 2018). Die Gründe dafür sind vielfältig: Von versteckten Kosten über fehlende Zahlungsmethoden bis hin zum Zwang, einen Account zu erstellen.

Ganz egal weshalb der Zahlungsvorgang abgebrochen wurde, für uns Seitenbetreiber ist dies immer ärgerlich – vor allem dann, wenn wir Geld investiert haben, dass wir überhaupt gefunden wurden. Die Lösung dafür kann ein Bot sein, der unserem Besucher unmittelbar nach Abbruch des Zahlungsvorganges ein attraktives Angebot macht – beispielsweise in Form eines Rabattes von 10 Prozent.

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Doch nicht nur Zahlungsvorgänge werden verlassen, schlimmstenfalls auch der komplette Webshop. Unmöglich für uns, trotz eines Bots danach noch mit dem Nutzer zu kommunizieren. Doch Bots sind mittlerweile gut darin, zu spüren, wann jemand dabei ist, unseren Shop zu verlassen. Genau in jenem Moment ein Angebot zu machen kann aus einem uns verlassenden Besucher doch noch einen Kunden machen.

Klingt gruselig? Ist es für die meisten Onlineshopper aber gar nicht. Laut dem Point Source Global Chatbot Report sind 49 Prozent der Nutzer bereit, häufiger einen Shop zu besuchen, wenn ein Chatbot vorhanden ist und 34 Prozent sogar bereit, mehr auszugeben als in Webshops, in denen kein Bot vorhanden ist (Point Source 2018).

Grund dafür ist mitunter auch die dadurch entstehende »persönlichere Atmosphäre«. Personalisierung kann einen unglaublich großen Beitrag dazu leisten, potenzielle Kunden dazu zu bringen, zu echten Kunden zu werden. Eine Studie von Epsilon Marketing kommt zum Ergebnis, dass Conversions durch Personalisierungen auf Websites um bis zu 80 Prozent gesteigert werden können (Epsilon Marketing 2018).

So kann man wiederkehrende Besucher mit Hilfe eines Bots freundlich grüßen lassen und sie – wenn sie schon bei uns bestellt haben oder den Chat genutzt haben und dabei den Namen angegeben haben – sogar mit ihrem Namen ansprechen. Dies schafft einzigartige Nutzererfahrungen, die in den Köpfen der Menschen eine emotionale Verbindung mit uns und unserem Shop schafft (Zolnowski 2018).

All die genannten Beispiele eines ausgefeilteren Bots haben eine Sache gemeinsam: Der Bot wurde von sich aus aktiv und musste nicht auf konkrete Fragen von Nutzern antworten beziehungsweise auf deren Anliegen eingehen. Soll er dies können, ist der einfachste Ansatz, fertige Gesprächsmuster zu erstellen, die – abhängig von ebenso vordefinierten Antwortmöglichkeiten – ablaufen, quasi wie ein Skript, das die eine oder andere Wendung nehmen kann.

Der Nutzer ist dabei aber nicht frei und kann nur von uns bestimmte Fragen stellen und Antworten geben. Soll der Nutzer frei sein, wird es kompliziert, und aus heutiger Sicht für kleine Shopbetreiber auch gar nicht möglich: Von künstlichen Intelligenzen und neuronalen Netzen ist plötzlich die Rede. Denn so intelligent die grüßenden oder bei abgebrochenen Zahlungsvorgängen einschreitenden Bots auch wirken, wirklich intelligent sind sie leider nicht. Sie handeln immer nach dem Muster »WENN eine bestimmte Aktion eintritt, DANN führe folgende Aktion aus«.

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Das bedeutet, dass die Bots nur so intelligent sein können, wie wir es ihnen vorgeben zu sein. Und wie viel Geduld wir dabei haben. Denn mehr Fälle, die abgedeckt werden sollen, bedeuten mehr Arbeit für uns als Designer, die jeden dieser Fälle genauestens ausgestalten und ausformulieren müssen.

Bei Chatbots gibt es nicht viel zu verlieren – schlimmstenfalls werden sie einfach ignoriert. Umgekehrt können wir damit aber, wie die Zahlen von Studien und Untersuchungen eindrucksvoll zeigen, sehr viel gewinnen.