Die Sterne haben ihre Wirkung gezeigt und Vertrauen in die hohe Qualität unserer Produkte geschaffen. Nun ist es für unsere Besucher an der Zeit, die Produkte entsprechend ihrer Wünsche zu konfigurieren. Erinnern wir uns an das erste Unterkapitel »Content« zurück, sind es drei einfache Schritte zur perfekten Hochzeitspapeterie. Lieblingsdesigns auswählen, Texte und Wünsche angeben und den Rest erledigen wir im Anschluss.
Viele Mitbewerber im Bereich der Hochzeitspapeterie bieten recht komplexe Online-Editoren, die den Kunden erlauben, die Papeterie komplett selbstständig auf Basis der gewählten Vorlagen zu gestalten. Unser Ziel ist es aber nicht, einen solche komplexen Editor zu schaffen beziehungsweise anzubieten, sondern einen einfachen Konfigurator, der – wie schon in anderen Kapiteln dieser Arbeit angewandt – die Nutzer an die Hand nimmt und Schritt für Schritt mit unserer Unterstützung zu ihrer Traumpapeterie führt. Dabei machen wir uns erneut die im Unterkapitel »Filter« vorgestellte Methode Progressive-Disclosure zunutze.
Eine Produktkonfiguration kann in zweierlei Hinsicht sehr sinnvoll für uns sein: Einerseits werden interessierte Besucher von den vielen Möglichkeiten unserer Produkte inspiriert, andererseits bietet sie die praktische Option für unsere Nutzer, die Produkte ganz einfach genau auf die jeweiligen Bedürfnisse abzustimmen. Die Wahrheit liegt in den allermeisten Fällen natürlich irgendwo dazwischen. So lassen sich dadurch auch schon kaufbereite Nutzer neu inspirieren und die, die anfangs gar keine Kaufintention hatten, schlagen letztlich vielleicht doch zu.
Sehen wir uns an, wie unser Produktkonfigurator für eine Hochzeitseinladung aussehen könnte, welche Dinge es dabei zu beachten gibt und an welchen schon vorhandenen Prinzipien wir uns orientieren können.
Wie schon bei unserem Filter soll auch hier Schritt für Schritt vorgegangen werden, um kognitive Überlastungen zu vermeiden. Den gesamten Konfigurationsprozess eines Papeterie-Produkts habe ich deshalb in drei sinnvolle Schritte unterteilt, die mit nur einem Blick identifiziert werden können, um eine Vorhersehbarkeit des Prozesses zu gewähren.
Im ersten Schritt können Details angepasst werden. So können beispielsweise bei Hochzeitseinladungen das Papier und die Veredelung gewählt sowie die Primärfarbe geändert werden. Diese Änderungen spiegeln sich direkt im Produktbild wider. Dieser Schritt bietet ausgezeichnete Chancen, über die unterschiedlichen Konfigurationsmöglichkeiten zu unterrichten und damit weitere Inspiration zu schaffen.
Wie deutlich zu erkennen ist, sind die einzelnen Veredelungsoptionen als horizontal angeordnete Radio-Buttons gestaltet. Bei der Bezeichnung Radio-Button handelt es sich übrigens um ein Relikt aus der Zeit alter Autoradios mit physischen Knöpfen. Dort konnte – logischerweise – immer nur ein Sender gedrückt und damit ausgewählt werden.
Wurde ein anderer Knopf gedrückt, sprang der davor gedrückte heraus. Dieses Prinzip, dass bei der Wahl einer Option eine andere abgewählt wird, wurde übernommen – und auch der Name blieb (Pernice 2014).
In einigen Onlineshops habe ich zur Auswahl von Optionen sehr häufig Dropdown-Menüs gesehen. Diese sollten allerdings vermieden werden, wenn es weniger als fünf Auswahlmöglichkeiten gibt und wir uns als Shopbetreiber wünschen, dass alle Optionen auch tatsächlich wahrgenommen werden. Möchten Nutzer die Preise vergleichen, ist damit zudem auch nur ein Klick statt zwei nötig, die es bei Dropdown-Menüs bräuchte.
Da unterschiedliche Konfigurationen meist auch unterschiedlich viel kosten, sollte der Gesamtpreis prominent angezeigt und klar ersichtlich aktualisiert werden, nachdem eine Preisänderung aufgrund einer getroffenen Einstellung aufgetreten ist. Subtile Mikroanimationen, die für einen kurzen Moment den Preis in den Fokus heben, bieten sich dafür an.
Was vielleicht auffällig ist, ist, dass ich bei der Preisangabe das Währungszeichen weggelassen habe. Auch hierbei handelt es sich um eine Methode, unser Gehirn auszutricksen. Wissenschaftler der Cornell University haben 2009 in einer Studie herausgefunden, dass das Währungszeichen beeinflusst, wie wir Preise wahrnehmen. So sind wir eher bereit, mehr auszugeben, wenn kein solches Zeichen vorhanden ist.
Dies liegt daran, dass Währungszeichen in unseren Köpfen mit Verlusten verbunden werden. Und Verluste sind eine Art von Schmerz für uns. Ist kein Währungszeichen vorhanden, wird der Preis beziehungsweise die dargestellte Zahl nicht als »Schmerz« empfunden und wir Menschen sind eher bereit, mehr auszugeben (Lang 2009).
Im zweiten Schritt der Konfiguration können die persönlichen Texte eingegeben werden. Die angezeigten Textfelder sollten dabei exakt zum Produkt passen: So gibt es bei doppelseitigen Hochzeitseinladungen je ein Textfeld für die Vorder- und die Rückseite, bei Namenskärtchen hingegen braucht es lediglich ein Textfeld für die Namensliste.
Der dritte Schritt dient der Kontrolle, ob alle Angaben korrekt sind und den Wünschen entsprechend getätigt wurden. Dabei werden alle getroffenen Einstellungen und alle eingegebenen Texte in einer Übersicht dargestellt. Als letzte Option kann die Stückzahl gewählt werden. Darunter bietet ein Button die Möglichkeit, das soeben konfigurierte Produkt direkt in den Warenkorb zu legen.
Nach Aussagen der American Transplant Foundation sterben in den USA täglich 18 Menschen, da sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten haben – weniger als 15 Prozent der US-Amerikaner sind Organspender. In Österreich liegt die Organspenderrate bei weit über 90 Prozent.
Anfangs ging man davon aus, dass dieser massive Unterschied religiöse Gründe haben muss. Doch Wissenschaftler sind sich nach Untersuchungen sicher, dass es an den »Vorauswahlen« der Staaten liegt. In den USA wie in den meisten anderen Ländern muss man sich aktiv dafür (Opt-in) entscheiden, Organspender zu werden.
In Österreich hingegen ist man automatisch Spender – will man dies nicht sein, muss man sich aktiv dagegen (Opt-out) entscheiden. Es hat sich gezeigt, dass Menschen das als Normalität wahrnehmen, was ihnen als Vorauswahl vorgegeben wird (Davidai et al. 2012).
Und dieses Wissen wird auch häufig in Onlineshops eingesetzt. Gehen wir zurück zum ersten Schritt der Konfiguration, in der beispielsweise die Veredelungen gewählt werden können. Die Soft-Touch-Veredelung ist dabei die Vorauswahl. Einerseits werden unsere Produkte mit dieser Veredelung qualitativ zwar auf eine andere Ebene gehoben, andererseits ist sie in unserem Shop allerdings auch die teuerste Veredelung. Mit dem Wissen über die Macht der Vorauswahl können wir unsere Kunden also ganz gezielt dazu bewegen, mehr auszugeben, als sie ursprünglich geplant hatten – denn in der Produktübersicht wurde nur der Ab-Preis gezeigt, der die Kosten der Veredelung noch nicht enthält. Sehr manipulativ, aber in vielen Shops schon lange im Einsatz.
Eine Studie, welche die Erwartungshaltung von Nutzern bezüglich der Privatsphäreeinstellungen bei Facebook untersucht hat, kam zum Schluss, dass allgemein erwartet wird, dass immer im Sinne der Kunden und Nutzer gehandelt wird und keine bösartigen Absichten seitens der Anbieter vorliegen. Dieses Vertrauen in die Standardeinstellungen geht so weit, dass lediglich fünf Prozent aller Nutzer von Facebook die Privatsphäreeinstellungen aufrufen und ändern (Yabing 2011).
Vorauswahlen genießen also sehr großes Vertrauen. Sie werden als Normalität beziehungsweise als Standard wahrgenommen, selten infrage gestellt und kaum geändert. Sie können zum Nutzen der Kunden eingesetzt werden aber auch höchst manipulativ sein. Und geschickt eingesetzte Vorauswahlen können sogar so mächtig sein, dass sie Leben retten.